Sackgasse

„Haartz-Konzept“

Eine vernichtende Kritik dazu war im Kölner Stadt-Anzeiger zu lesen. Wachstum heißt das Zauberwort zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit, nicht die Schlechterstellung der Ausgegrenzten. Aber wie Wachstum realisieren in Zeiten der computerbedingten Rationalisierungen? Schon Mitte der Neunziger resignierte der französiche Präsident Jacques Chirac: „Gebt mir einen Zauberstab.“ Den gab es nicht und wird es nicht geben. Bleibt nur ein Ausweg: die alten Pfade verlassen und Neuland zu betreten. Zum Beispiel das Kombimodell „Neue Arbeit“ (reduzierte Erwerbsarbeit plus Selbstversorgung und Eigenarbeit) an vielen Orten ausprobieren und weiterbringen. (hw)
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Wir dokumentieren: Kölner Stadt-Anzeiger vom 24.10.02

Das dänische Wunder ist entzaubert

Neue Studie widerlegt den Mythos von einer erfolgreichen Beschäftigungspolitik
von Hannes Gamillschlag


Nicht flexibler Arbeitsmarkt und reduzierte Sozialhilfe, sondern die gestiegene Nachfrage der Firmen sorgte in den 90er Jahren für mehr Beschäftigung.

Kopenhagen - Wie haben sich die Dänen doch ihrer erfolgreichen Beschäftigungspolitik gebrüstet: als Baumeister des flexiblen Arbeitsmarktes, als Erfinder von allerlei Erfolgsmodellen vom Sabbatjahr bis zum Flexjob. Neidisch blickten die Nachbarn über die dänische Grenze, und wenn man dort die Arbeitsvermittlung »Job-Center« nannte, tat man gleiches und glaubte, jetzt sei etwas gewonnen. Und nun sind es just drei dänische Forscher, die Wasser in den Wein gießen und die Mythen der Arbeitsmarktpolitik entzaubern.
Dass die dänische Beschäftigung in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre stark gestiegen ist, hat wenig mit individuellen Handlungsplänen für Arbeitslose zu tun. Es gab mehr Jobs, weil mehr Arbeitskraft benötigt wurde, und man brauchte mehr Arbeitskraft, weil die Konjunktur danach war.
Fazit, liebe Politiker: Es gibt nicht mehr Jobs, weil man Arbeitslosen das Leben sauer macht. Mit der jüngsten Arbeitskraftreform hat man in Dänemark die Grenzen, was für Arbeitslose »zumutbar« ist, weit nach oben verschoben.Wer sich weigert, ein Angebot anzunehmen, dem streicht man das Geld. Doch nun weisen die Forscher der Universität Aalborg nach, dass man damit Probleme zu lösen versucht; die es gar nicht gibt.
Es ist nicht der zu geringe Unterschied zwischen Lohn und Arbeitslosengeld, es ist nicht die Peitsche, die sie zurück auf den Jobmarkt treibt. es ist die Konjunktur. Ausbildung, Lohnerwartung und vorausgegangene Arbeitslosigkeit hatten bei der Suche nach Arbeit viel weniger Bedeutung als angenommen, stellten der Soziologe Jörgen Goul Andersen und seine Mitarbeiter nach Interviews mit knapp 2000 Arbeitslosen und solchen, die es gewesen sind, fest. Entscheidend waren einzig die Erwartungen und die Auftragslage der Industrie.
Hohes Arbeitslosengeld als »Schlummerkissen«? Stimmt nicht, weist Andersen nach. Die Gruppen mit der höchsten Entschädigung fanden genauso häufig neue Jobs wie die Ärmeren. Wenn die Regierung also nun mit Zwangsmaßnahmen eine »Arbeitsmarktreserve mobilisieren« möchte, setzt sie nach Ansicht der Forscher aufs falsche Pferd. Es sei keineswegs sicher, dass gestrichenes Arbeitslosengeld und gekürzte Sozialhilfe zu mehr Beschäftigung führten. Sicher sei hingegen, dass es den Betroffenen dann schlechter gehe.