Ausschuss oder
was?
Endlich Glück
gehabt
von
Iris Shakil
Eigentlich
hatten mein Sohn Jimmy und ich uns unsere neue Heimat irgendwie
idyllisch vorgestellt, aber es wurde für uns „Kölner“ eine horrende
Willkür. Obwohl ich in einer der berüchtigten Ecken der Großstadt
aufwuchs, wo ich gelernt habe, nicht so schnell aufzugeben, begann
ich in dem Nachbarstädtchen zu kapitulieren.
Iris Shakil,
SSM Es zog mich
im Januar 2000 dorthin, weil ich dort über das Arbeitsamt
vermittelt eine zweijährige Ausbildung zur Facharbeiterin in der
Landschaftspflege machen konnte und glaubte, dort Arbeit und
Sicherheit finden zu können. Leider war unser Vermieter ein
komischer Kauz!!! Es gab Hausordnungen, die lasen sich wie das
Bürgerliche Gesetzbuch, nach Paragraphen verfasst. Und der
Vermieter brüllte gerne; er behandelte alles und jeden wie
Hausfriedensbrüchige, egal ob Mieter, Arbeiter, Postboten usw.
Selbst im Haus wohnend war er überall zu finden und lauerte
dementsprechend überall, ob beispielsweise ein Fahrrad im
Fahrradkeller an der nicht rechtmäßigen Wandseite angelehnt wurde.
Er brüllte sich dann erfolgreich das Herzwasser in die Beine.
Mehr als ein Jahr dauerte diese Tortur, bis wir dankenswerterweise
mit Hilfe der Ausbildungsfirma in eine andere und diesmal passable
Wohnung umziehen konnten, nachdem die Leiterin sich selbst von
unserer Misere überzeugt hatte. Bis dahin stand ich tagtäglich eine
Stunde vor Arbeitsbeginn schon auf der Matte, um von diesem
Horrorhaus Abstand zu haben. Das war schon eine Leistung, denn das
Berufsförderungswerk hatte den Kasernenappell inne. So mussten wir
uns jeden Morgen in eine Reihe aufstellen und nach dem Aufruf mit
"Hier" antworten. Bei Dienstende gab es dann wieder den Appell.
Nach dem Abschluss fand ich sogar Arbeit als Gärtnerin. Leider
machten sich meine chronischen Krankheiten dermaßen bemerkbar, dass
ich die Probezeit nicht überstehen konnte. Gesegnet bin ich mit
Venenentzündungen, Asthma, Diabetes und Rückenbeschwerden.
Seit September 2002 bin ich nun arbeitslos. Nun durfte ich mich den
Behörden auseinandersetzen. So übernahmen die Ämter ein halbes Jahr
lang nicht die Krankenversicherungskosten, trotzdem ich Atteste
vorlegte. Für meinen heute vierzehnjährigen Sohn, der unbedingt und
verständlicherweise in seiner früheren Kölner Schule bleiben
wollte, wurden keinerlei Fahrtkosten übernommen. Das hieß für uns
das Unmögliche zu betreiben: jährlich 800 € von der Sozialhilfe
abzuzweigen. Dann sollte ich im Herbst zur gemeinnützigen Arbeit
als Friedhofslaubpflegerin oder als Reinigungskraft im Altersheim
verpflichtet werden. Für einen Euro Stundenlohn und 75%
Mitbeteiligung an den entstehenden Fahrtkosten. Trotzdem ein
Amtsarzt mir bescheinigte, dass mir nur wechselnde Tätigkeiten
(stehend und sitzend) bei vermehrten Ruhezeiten zugemutet werden
konnten, war kein Einsehen. Bis ich meinen Umzug nach Köln
ankündigte.
Zwischendurch hatten wir auch mal großes Glück. Zufällig lernte ich
August letzten Jahres Rainer und Reinhard von der „Sozialistischen
Selbsthilfe Mülheim“ kennen. Ich schüttete ihnen sofort mein Herz
über mein marodes Leben aus. Sie luden mich ein, ihre Selbsthilfe
einfach mal kennenzulernen. Drei Tage später überzeugte ich mich
selbst. Und stellte fest, dass es hier Menschen gibt, Leute wie du
und ich, Freischnauze, etliche Macken, aber das Herz am richtigen
Fleck. Ich spürte sofort, da bin ich gut aufgehoben, dass ist das,
wonach ich suchte. Seitdem bin ich nun „ehrenamtlich“ bei der SSM
dabei, wenn ich auch wegen meinen Krankheiten leider nicht
tagtäglich da sein kann.
Ich mache in den verschiedensten Bereichen mit. So koche ich
mittags für zwanzig Leute, was heißt, eine komplette Mahlzeit für
Vegetarier und „Fleischesser“ auf den Tisch zu zaubern. Oder ich
löse meine Kollegin Elvira ab, um im Secondhand-Laden Anziehsachen
zu sortieren oder zu verkaufen. Hin und wieder fahre ich auch
genauso gerne mit dem LKW-Team mit, nehme an Wohnungsauflösungen
oder Entrümpelungen teil. Wichtig ist, dass ich stets
selbstbestimmt und nach eigenem Rhythmus arbeiten kann. Und keiner
nimmt mir krumm, wenn ich mal außer der Reihe ausruhen (muss). Es
ist toll, dass ich hier trotz meinen Krankheiten mitwirken kann.
Seitdem kommt bei mir keine Langeweile auf und es macht jede Menge
Spaß.
Inzwischen wohne ich also wieder in Köln und habe auch keinen
Stress mit den Behörden, weil ich durch Anerkennung der ärztlichen
Atteste arbeitsmäßig als nicht vermittelbar gelte. Bin ich nun
Ausschuss? Bei der SSM jedenfalls nicht.