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Meinungsvielfalt tut Not!

Rainer Kippe In diesen Tagen ist wieder viel die Rede von der schleichenden Aushöhlung der Demokratie. Die Menschen, so der SPD-Vorsitzende Müntefering (der mit Bebels Taschenuhr!), zweifeln an der Demokratie, wenn sie erleben, wie der Staat ohnmächtig dem Treiben der Großkonzerne zusieht, die satte Gewinne in Deutschland einstreichen, um dann Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.
Von einer anderen Gefahr für den Bestand der Demokratie ist schon lange nicht mehr die Rede: vom schleichenden Verlust der Meinungs- und Informationsfreiheit durch die fortschreitende Konzentrierung der Medien in wenigen Händen.
Als ich nach Köln kam, Mitte der 60er, gab es hier noch drei Tageszeitungen: Stadt-Anzeiger, Rundschau und die NRZ, gedruckt im Pressehaus in Deutz. Und jede stand für eine politische Richtung: liberal das DuMont- Blatt, klerikal die Rundschau, sozialdemokratisch die NRZ. Früher soll es auch einmal eine kommunistische Zeitung gegeben haben, aber das war vor meiner Zeit.
Davon geblieben ist eine einzige, der Kölner Stadt-Anzeiger. Die NRZ ist sang- und klanglos Mitte der 70er verschwunden, und die Rundschau ist sowohl ökonomisch wie inhaltlich nur noch ein Anhängsel des alles vereinnahmenden DuMont-Flaggschiffes.
Was wir dazubekommen haben, ist eine kleine Köln-Beilage der Berliner Tageszeitung taz, gut gemeint, aber kein Ersatz für ein echtes Kölner Blatt, welches die Welt von den Dom-Türmen aus sieht und deutet.
Wir von SSM, INA, MachMit und von der Stadtteilgenossenschaft WiWAt eG gehören zu einer kleinen Schar unverbesserlicher Demokraten, die immer wieder versuchen, das Recht auf freie Meinung nicht nur nachzubeten, sondern mit Leben zu erfüllen. Immer wieder waren wir an Zeitungsprojekten beteiligt. In den frühen 70ern war es die Untergrundzeitung ANA&BELA, danach für viele Jahre das KÖLNER VOLKSBLATT, dann für kurze Zeit die »KÖLNER WOCHE - Neue Rheinische Zeitung«, die sich mit ihrem Untertitel aber nicht auf die NRZ der SPD, sondern auf die 1848 von Karl Marx gegründete Neue Rheinische Zeitung bezog.
Jede dieser Zeitungen hat uns nicht nur viel Zeit, Kraft und Geld gekostet, jede einzelne hat auch in dieser Stadt viel erreicht und viel Schlimmes verhindert. Und sie haben alle dazu beigetragen, dass die Menschen nicht der Verzweiflung anheim gefallen sind, die da heißt: »Man kann doch eh nix machen.«
Jetzt ist es wieder so weit: in diesen Tagen geht ein Aufruf durch Köln zur Gründung einer Internet-Tageszeitung. Sie sieht sich in der demokratischen Tradition der Kölner Woche und der Neuen Rheinischen Zeitung, sie sucht die Verbindung zu den Bürgerinitiativen und -beweg-ungen wie das Volksblatt. Sie will auch für Men-schen unter sechzig lesbar sein. Sie will neue Formen finden und wählt sich deshalb ein neues Medium, das Internet, was nicht ausschließt, dass sie auch irgendwann auf Papier erscheint. Das Echo bei den engagierten Bürgern und Medien-schaffenden ist groß.
Der Diskussionsprozess hat gerade erst begonnen. Wer sich beteiligen will, kann sich elektronisch bei r.kippe@ina-koeln.org melden.