Thesenpapier August 2001
Das neoliberale Dogma und
die Konsequenzen für die SSM
von Rainer Kippe
"Mit ,Neoklassik'
bezeichnet man in den ökonomischen Wissenschaften die von
Alfred Marshall versuchte Synthese aus der Ökonomie der
Klassiker (A. Smith, D. Ricardo, J.St. Mill) und der
Grenznutzenschule der zweiten Hälfte des 19. Jh. (C.
Menger, S. Jevons, L. Walras). Das grundlegendeDenkmodell
der Neoklassik wird im Text diskutiert, nicht aber die
zahllosen Weiterentwicklungen. Die moderne Neoklassik, die
teilweise Elemente der Keynesschen Theorie aufgenommen hat
(,neoklassische Synthese') oder die klassische Lehre vom
Gleichgewicht durch neue Elemente wie Entscheidungen unter
Unsicherheit, dynamische Anpassungsprozesse,
intergenerationellen Tausch (,overlapping generations') und
andere bereichert hat, kann prinzipiell durch das
Rationalitätspostulat charakterisiert werden. Dieses
Postulat ist identisch mit der Annahme, dass Individuen
grundsätzlich ihren privaten Nutzen maximieren, in dieser
Maximierung berechenbar sind und ein sozial erwünschtes
Marktgleichgewicht durch vielfältige Preisanpassungen
herbeiführen. Insofern kann gesagt werden, dass mit der
Widerlegung des klassischen Dogmas sich auch die Neoklassik
als Wissenschaft ohne zureichenden Grunderweist."
(Brodbeck, Erfolgsfaktor Kreativität, S.325)
Da haben wirs noch mal, das Dogma auch in seiner modernen
Form, wo angebliche Freiheit als Entscheidung zwischen zwei
Alternativen bei vorausgesetztem Egoismus und
vorausgesetzter Fähigkeit, das jeweils für einen selbst
Vorteilhafteste erkennen zu können, direkt zu zahlen in
einer Grenznutzenrechnung wird: „Gegeben sind die
Quanta der produktiven Dienste; gesucht wird das System der
Gleichungen, deren Wurzeln 1) die Quanta der Produkte, 2)
die Preise dieser Produkte und 3) die Preise der
produktiven Dienste sind. So angesehen erscheint die
Theorie der Preisbestimmung der wirtschaftlichen Güter oder
die reine Volkswirtschaftslehre deutlich mit dem Charakter
einer eigentlichen und zwar physisch- mathematischen
Wissenschaft.“
(Walras).
Kurz und bündig. Nun aber kommts eigentlich erst:
"Allerdings hebt keine Widerlegung dieser Theorie ihre
praktische Wirksamkeit auf. Die Neoklassik verkörpert auf
vollkommene Weise den kaufmännischen Egoismus des 19. und
20. Jh. Nun hat es dieses Bewusstsein zwar immer wieder
verstanden, sich durch vielfältige Uniformen zu verkleiden
(liberal, national, sozialistisch, religiös), seine Macht
blieb jedoch ebenso unerkannt wie ungebrochen. Deshalb gilt
hier Heideggers Satz, ,dass man das Bewusstsein einer Zeit
selbst, nicht theoretisch-wissenschaftlich
>argumentierend< widerlegen kann'."
Was heißt das, auf die SSM und ihre ökonomische
Wirklichkeit bezogen? Es heißt,
1. dass die Ökonomie der SSM, welche den ,Naturgesetzen'
des klassischen Dogmas auf so eklatante Weise widerspricht,
nicht deswegen unmöglich ist, sondern durchaus möglich,
denn diese zwingenden Notwendigkeiten, welche die Ökonomen
und mit ihnen die ganze ökonomisierte Gesellschaft
daherbetet, sind keine. Es heißt
2. dass diese Ökonomie möglich ist, weil die ,Ökonomen' der
SSM sie für möglich halten. Deshalb können sie diese
praktizieren. Glaubten sie ans klassische Dogma, wie der
überwiegende Teil der Gesellschaft, fänden sie schnell
Gründe, die ihnen ihr eigenes Handeln als sinnlos und
gefährlich erscheinen ließe (,unrentabel',
,Selbstausbeutung' etc.).
3. (und jetzt wird's wieder interessant) Das abweichende
Bewusstsein kann aber nicht einfach eine andere Realität
erschaffen. Ressourcen lassen sich nicht ohne weiteres
anders verwenden, da sie stets in einer bestimmten
Anordnung vorhanden sind, eine bestimmte Struktur besitzen.
Deshalb suchen nach
a) Nischen,
b) nach noch vorhandenen vor-kapitalistischen Strukturen
oder
c)nach nicht marktförmigen Strukturen, die gleichwohl Teil
der konkreten Wirtschaft sind, oder
d) nach neuen Strukturen, die bereits über die Marktform
hinausgewachsen sind.
4. Entscheidend ist dabei, neben der bewussten Loslösung
vom überkommen ökonomischen Zwangsdenken, die KREATIVITÄT,
welche den SSM- Mitgliedern durch ihre Form der
selbstbestimmten Ökonomie die Handlungsautonomie und die
Möglichkeit der Selbstbestimmung ihres Schicksals
zurückgibt. Realisierung wirklicher Freiheit, - nicht der
Scheinfreiheit der ökonomischen Nutzen= Gewinnmaximierung.
Glück im autonomen Handeln.